dass ich den zweiten titel auf meiner aus drei neuerscheinungen bestehenden leseliste zur zeit- und internet-kritik erst jetzt beende, haengt nur zum teil an wenig zeit und anderweitigen prioritaeten: jonathan franzens 'kraus project' ist derartig ueberambitioniert, dass ich schon stolz bin, das buch ueberhaupt beendet zu haben. die eigene uebersetzung von kerntexten von karl kraus ergaenzt franzen um seitenlange, oft biografische fussnoten sowie um anmerkungen seines literarischen freundes daniel kehlmann und des kraus-experten paul reiter. unter dem strich ergibt das nicht nur ein buch, das hoechstwahrscheinlich stolz darauf ist, absolut ebook-inkompatibel zu sein, sondern das auch deutlich ueber franzens im herbst 2013 im guardian erschienenes, hauptsaechlich gegen das web und seine auswuechse gerichtetes essay 'what's wrong with the modern world' hinausgeht. 'the kraus project' strotzt nurgerade so vor verweigerungshaltung - und trifft damit aller unlesbarkeit zum trotz einen nerv bei mir: ich schreibe nun seit zehn jahren diesen blog, bin seit drei jahren prime-kunde von amazon und habe mich vor zwei jahren u.a. als e-commerce-experte beruflich neu erfunden. das alles mache ich freiwillig und bin auch zu 90 prozent der zeit d'accord damit - und haette doch desoefteren nichts dagegen, wenn der ganze internetbloedsinn nie erfunden worden waere.

wie franzen in einer seiner letzten fussnoten festhaelt, handelt es sich dabei natuerlich um eine subjektive - aber deshalb nicht weniger logische - befindlichkeit:
"If I’d been born in 1159, when the world was steadier, I might well have felt, at fifty-three, that the next generation would share my values and appreciate the same things I appreciated; (...) But I was born in 1959, (...) and so today, fifty-three years later, Kraus’s signal complaint (...) — that the new world has lost the capacity even to be a posterity — can’t help ringing true to me. (...) He was registering something that has become a fixture of modernity. The experience of each succeeding generation is so different from that of the previous one that there will always be people to whom it seems that key values have been lost and there can be no more posterity. As long as modernity lasts, all days will feel to someone like the last days of humanity."