nachdem tunis und kairo doch ziemlich weit weg sind, bot ein beruflicher abstecher nach stuttgart nun auch fuer mich die chance, einmal revolutionsluft zu atmen. erste zweifel am revoluzzerpotenzial der schwaben kamen mir aber bereits beim mittagsessen: spaetzle als beilage zum linseneintopf, das passt nicht nur schlecht zusammen, sondern ist auch die beste methode um jeglichen geschmack zu ersticken. derart vorbelastet schienen mir auch die ueberbleibsel des politischen erdbebens vom wochenende zutiefst trivial. hier ein 'oben bleiben, abschalten, abwaehlen'-aufkleber, dort ein vereinzeltes wahlplakat der gruenen. doch ansonsten bot die stuttgarter innenstadt den eindruck penibelster normalitaet mit in der mittagspause die fruehlingssonne geniessenden young professionals und der koenigsstrasse als deutschlands wohl herausgeputztester einkaufsmeile.

beim schlossgarten in der naehe des hauptbahnhofs aenderte sich jedoch das bild. hier campiert weiterhin der zwar recht kleine, aber auch ziemlich eindrueckliche kern der 'parkschuetzer'. zu sehen gibt es eine zeltstadt, junge antifas und ruestige dropouts, mahnmale, geschmueckte baeume und jede menge slogans: 'fukushima strahlt! mappus auch?' oder '27.3. ist landtagswahl - gruss an frau merkel'. das alles hat seinen reiz, wirkt aber auch ziemlich retro. eine art friedens-/anti-akw-bewegungs-revival, in etwa so nah am original wie der britrock der letzten jahre am echten punk - aber auch das war fuer uns nachgeborene ja noch ein riesenspass. die stuttgarter im park zeigen jedenfalls noch nachwirkungen der ereignisse der letzten tage: 'ihr koentsch einfach net einseh, dasch ihr verlore habt', ruft ein parkschuetzer einer dame hinterher, die sich ueber die aesthetische anmassung der zeltstadt mokiert. 'du weischt ja gar net, was i gewaehlt hab', entgegnet diese indigniert. an anderer stelle streiten engagierte buerger miteinander, wer schon laenger fuer die gute sache kaempft. seit 1998 protestiere er schon gegen stuttgart 21, erklaert einer von ihnen.

jenseits aller unfreiwilligen komik weiss das phaenomen stuttgart durchwegs zu faszinieren: ausgerechnet in dieser kreuzbraven und satten stadt hat ein buergeraufstand 58 jahre cdu-herrschaft hinweggefegt und dem ersten gruenen ministerpraesidenten den weg bereitet! dabei duerften die chancen fuer eine erfolgreiche regierungstatetigkeit recht hoch sein, denn radikalitaet gibt es als option in diesem umfeld ohnehin nicht. und doch laesst sich heute kaum vorstellen, wie stuttgart auch in anderen deutschen laendern moeglich sein soll - zum beispiel bei der naechsten bayerischen landtagswahl...